175 Jahre Deutscher Kindergarten: Von Bad Blankenburg nach ganz Europa
- VDKA-Befragung: 89 Prozent der deutschsprachigen Auslandskindergärten orientieren sich an deutschen Bildungsstandards
- Erzieher-Kind-Schlüssel fast auf Bundesniveau
- Quote männlicher Erzieher höher als in Deutschland
- Trend zu Bio-Essen im In- und Ausland
Berlin, 24. Juni 2015 – Friedrich Wilhelm August Fröbel hätte am 28. Juni 1840 bei der Stiftung des ersten „Allgemeinen Deutschen Kindergartens“ in Bad Blankenburg wahrscheinlich nicht zu träumen gewagt, dass sein Ansatz von frühkindlicher Erziehung sich auch noch 175 Jahre später hält und entwickelt. Doch findet man Bildungsstandards, die heute hierzulande für Eltern Normalität sind, auch wenn man als deutschsprachige Familie ins europäische Ausland zieht? In der Tat gibt es meist in den Hauptstädten Europas einen deutschsprachigen Kindergarten mit vergleichbaren Standards. Schon im Schuljahr 2012/13 konnte das Verzeichnis Deutscher Kindergärten im Ausland (VDKA) mit einer Online-Umfrage einen informativen Überblick über die Lage der deutschsprachigen Kitas im europäischen Ausland geben. Nach zwei Jahren lohnt sich der erneute Blick über die Bundesgrenzen. Die Zahl der teilnehmenden Kindergärten hat sich dabei von 49 auf 53 erhöht.
Erzieher-Kind-Schlüssel verbessert sich leicht
Durchschnittlich besuchen 67 Kinder eine deutschsprachige Kita im europäischen Ausland, wo sie im Schnitt von acht Erzieher(inne)n und zwei Praktikant(inn)en betreut werden. Der Erzieher-Kind-Schlüssel liegt demnach bei 8,36, was eine minimale Verbesserung gegenüber dem Schlüssel von 8,5 im Schuljahr 2012/13 bedeutet. Wenn man das Alter der Kinder berücksichtigt, ergibt sich bei Einrichtungen mit Betreuung von Kindern unter zwei Jahren ein Schlüssel von 6,38. Kitas ohne dieses Angebot weisen einen Wert von 9,87 auf. In beiden Fällen sind die Schlüssel minimal schlechter als in der Bundesrepublik (5,0 und 9,0).* Immerhin bieten 43 Prozent der Einrichtungen Plätze für Kinder unter zwei Jahren an, 26 Prozent betreuen sie sogar in einer entsprechenden Altersgruppe.
Was wird vermittelt und wie viel kostet es?
„Wenn ‚Deutscher Kindergarten‘ drauf steht, so ist auch deutscher Bildungsstandard drin“, weiß Stephan Vierkant, Gründer des VDKA. 89 Prozent der Kindergärten, die an der Umfrage teilgenommen haben, orientieren sich gänzlich oder in Teilen an deutschen Bildungsstandards. Auch Kooperationen mit deutschsprachigen Schulen vor Ort sind mit 72 Prozent stark ausgeprägt. Auf die Eltern kommen jährliche Kitakosten von durchschnittlich 5.290 Euro pro Kind zu.
Deutsch im Kindergartenalltag
Die Betreuung in Deutschen Kindergärten im europäischen Ausland erfolgt meist nicht nur nach deutschen Bildungsstandards, sondern überwiegend auch durch deutsche Muttersprachler. Von den untersuchten Kindergärten gaben 72 Prozent an, mehrheitlich deutschsprachige Erzieher(innen) zu beschäftigen. Für eine Aufnahme in die Kita müssen Kinder nicht zwingend über Deutschkenntnisse verfügen: In 58 Prozent der deutschen Auslandskindergärten ist die Muttersprache für die Aufnahme irrelevant. 21 Prozent hingegen fordern die Beherrschung der deutschen Sprache beim Eintritt in den Kindergarten. Weitere 21 Prozent nehmen Kinder auf, die entweder Deutsch oder die Landessprache beherrschen.
Männerquote höher als in Deutschland
Neben Kosten, Bildungsstandards und Sprache wurde auch der Faktor Personal in der Umfrage thematisiert. So liegt beispielsweise die Quote männlicher Erzieher in Auslandskindergärten mit 7,5 Prozent deutlich über den 4,9 Prozent in der Bundesrepublik.** Die Einrichtungen legen zudem fast alle Wert auf die Entwicklung ihres Personals: 96 Prozent der Kindergärten bieten ihren Erzieher(inne)n Weiterbildungsmöglichkeiten. Ebenso viele deutschsprachige Auslandskitas bieten regelmäßig Praktikumsplätze an.
Essen: Catering und Bio überwiegen
Beim Thema Essen vertrauen 47 Prozent der Auslandskitas auf Catering, wohingegen 30 Prozent einen eigenen Koch anstellen. In immerhin 17 Prozent der Einrichtungen bereiten die Eltern das Essen zu, indem sie direkt vor Ort kochen bzw. Lunchpakete zusammenstellen. In nur 6 Prozent der Fälle greifen die Erzieher(innen) zum Kochlöffel. Bei der Frage, ob Bio-Lebensmittel verwendet werden, zeigt sich ein eindeutiger Trend: Mehr als die Hälfte der Kitas (57 Prozent) servieren sowohl herkömmliches als auch Bio-Essen und 7 Prozent tischen sogar ausschließlich Bio-Nahrung auf. Somit berücksichtigen insgesamt 64 Prozent Nahrungsmittel mit Bio-Kennzeichnung. 30 Prozent der Kitas verzichten hingegen auf Lebensmittel mit Bio-Siegel, 6 Prozent machten hierzu keine Angaben. Diese Werte befinden sich im Einklang mit in Deutschland erhobenen Daten: Hierzulande werden in 29,6 Prozent der Kitas keine Bio-Lebensmittel verwendet, in allen anderen Einrichtung wird in unterschiedlichem Maß auf Bio-Nahrung vertraut.***
Wichtige Konzeptaspekte
Bezüglich der Frage nach dem pädagogischen Ansatz ergab sich kein einheitliches Muster: Die Ergebnisse reichen beispielsweise von Pestalozzi, Pikler und lokalen Bildungsplänen bis hin zum situationsorientierten Ansatz. Eindeutiger war die Lage beim Thema Gott: Religiöse Aspekte im pädagogischen Konzept bestätigten lediglich 19 Prozent aller befragten Einrichtungen. Ein Angebot von Inklusions-/ Integrationsplätzen gibt es in der Hälfte (51 Prozent) der deutschsprachigen Kitas im europäischen Ausland. Weiterhin wurde in der Studie darauf eingegangen, ob Eltern sich in den Kitas engagieren können. Auf freiwilliger Basis geschieht dies in 64 Prozent der Einrichtungen, 21 Prozent setzen Elternengagement sogar voraus. In 15 Prozent der befragten Kindergärten wird von elterlichem Engagement abgesehen.
Zur Studie
Im Frühjahr 2015 wurden 120 deutschsprachige Kindergärten im europäischen Ausland zur Teilnahme an einer Online-Umfrage aufgerufen. Die Zahl der teilnehmenden Einrichtungen hat sich von 49 im Jahr 2012/13 auf 53 im Jahr 2014/15 leicht erhöht. Die 53 deutschsprachigen Kitas (Schweizer und Deutsche Kindergärten) befinden sich in 37 Städten verteilt über 19 europäische Staaten: Ankara, Athen, Barcelona, Belgrad, Bilbao, Bratislava, Budapest, Bukarest, Catania, Den Haag, Genua, Hadersleben, Helsinki, Istanbul, Izmir, Kerava, Kiew, Kuopio, La Gomera, London, Lyon, Madrid, Mailand, Oslo, Oulu, Paris, Prag, Rom, Santa Cruz de Tenerife, Sevilla, Sonderborg, Straßburg, Tampere, Toulouse, Vilnius, Warschau und Zagreb.
* Statistisches Bundesamt (Destatis), „Der Personalschlüssel in Kindertageseinrichtungen“ vom 30.12.2014 https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Soziales/KinderJugendhilfe/KindertageseinrichtungenPersonalschluessel5225409149004.pdf?__blob=publicationFile
** Statistisches Bundesamt (Destatis), „Personal in Kitas: Wer betreut unsere Kinder?“ vom 30.09.2014 https://www.destatis.de/DE/Publikationen/STATmagazin/Soziales/2014_09/2014_09PersonalKitas.html
*** Bertelsmann Stiftung, „Is(s)t KiTa gut? KiTa-Verpflegung in Deutschland: Status quo und Handlungsbedarfe“ Juni 2014 https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Themen/Aktuelle_Meldungen/2014/06_Juni/Zu_viel_Fleisch/Studie_Kita-Verpflegung_in_Deutschland.pdf
Über das Verzeichnis Deutscher Kindergärten im Ausland
Das Verzeichnis Deutscher Kindergärten im Ausland (VDKA) hilft Eltern bei der Kindergartensuche rund um den Globus. Das unabhängige Online-Portal stellt Beschreibungen sowie Kontaktdaten deutscher Kitas im Ausland kostenlos zur Verfügung. Jährlich werden rund 50.000 Besucher dank des VDKA als einziges Informationsportal seiner Art fündig.
Auch Erzieher und die Kitas finden über deutscherkindergarten.org zueinander. Mit Newslettern und Umfragen pflegt das Verzeichnis einen kontinuierlichen Dialog mit Eltern, Erzieher(innen)n und Kindergärten. Das ursprünglich auf Europa ausgerichtete Non-Profit-Projekt wird nach und nach um die verbleibenden Kontinente und neu gegründete Einrichtungen erweitert. Die Idee zum Projekt kam dem Gründer Stephan Vierkant auf der Suche nach einem deutschsprachigen Kindergarten in Rom. Da seine Töchter mittlerweile in Berlin einen zweisprachigen Kindergarten besuchen, wird das Projekt aufgrund der regen Nachfrage von dort aus fortgeführt.